Wir zahlen nicht für Eure Krise!

Aufruf zu bundesweiten Demonstrationen in Berlin und Frankfurt/Main am 28. März 2009

Wir zahlen nicht für Eure Krise!
Für einen solidarischen und ökologischen Weg aus der Wirtschaftskrise!

Das Weltwirtschaftssystem steckt in seiner schlimmsten Krise seit 1929: Finanzmarkt-Crash und Rezession, Massenarbeitslosigkeit, Hunger und sich verschärfende globale Ungerechtigkeit, Kriege um den Zugang zu Rohstoffen, die Beschleunigung des Klimawandels, Raubbau an der Natur und die Vernichtung unserer eigenen Lebensgrundlagen sind die verschiedenen Gesichter dieser Krise.

banner-28maerz_06

Diese Krise ist nicht vom Himmel gefallen! Sie ist das Resultat deregulierter und unkontrollierter (Finanz-)Märkte und eines Wirtschaftssystems, in dem die kurzsichtige Profitmaximierung das beherrschende Prinzip darstellt, während das Allgemeinwohl, die Natur und die Menschlichkeit auf der Strecke bleiben.

Statt die Chance, die in der Krise liegt, für eine ökologische und soziale Umsteuerung zu nutzen und die demokratische Kontrolle über Märkte zurückzugewinnen, werden mit dem Löwenanteil der milliardenschweren Konjunktur- und Bankenrettungsprogramme weltweit die alten Strukturen gestützt. Dieselben Wirtschaftsexperten, Politiker und Lobbyisten, die für die Krise verantwortlich sind, werden nun mit ihrer Lösung betraut. Die betroffenen ArbeiterInnen, KleinbäuerInnen, KleinstunternehmerInnen, Arbeitslosen, Armen erhalten indes kaum zusätzliche Unterstützung im täglichen Kampf um ihr Auskommen. Stattdessen werden sie auch noch zur Finanzierung der Rettungs- und Konjunkturpakete zur Kasse gebeten.

Die Krise trifft diejenigen besonders hart, die weltweit in Armut leben. Insbesondere für Menschen im globalen Süden gibt es keine sozialen Schutzschirme, die die Folgen abfedern könnten. Dem weltweiten Abschwung, steigenden Nahrungsmittelpreisen, Geldknappheit und den Folgen des Klimawandels sind sie schutzlos ausgeliefert. Zu befürchten ist, dass die reichen Länder auch bereits zugesagte Ausgaben für Entwicklungshilfe kürzen und Programme zur Armutsbekämpfung auf der Strecke bleiben.

Zeit für globale Gerechtigkeit!

Der Klimawandel zwingt uns, unsere Wirtschafts- und Lebensweise radikal zu ändern. In den nächsten vierzig Jahren muss es der Menschheit gelingen, ihren Treibhausgasausstoß mehr als zu halbieren! Dabei müssen wir, die reichen Länder und größten Verschmutzer, voran gehen. Unsere Klimaschuld gegenüber den heute ärmeren Ländern verpflichtet uns, daran mitzuwirken, dass alle einen Lebensstandard erreichen, der den Menschen ein gutes Leben ermöglicht – mit einer Wirtschaftsweise, die für die Erde dauerhaft tragbar ist.

Das erfordert einen fundamentalen Bewusstseinswandel und eine Änderung unseres Konsumverhaltens. Die einseitige Orientierung am Wachstum muss abgelöst werden vom Leitbild einer nachhaltigen Wirtschaftsweise, in der die sozialen Menschenrechte und die Natur Vorrang vor Profiten haben. Wachstumsraten und die Höhe des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sagen nachweislich wenig über Lebensqualität, Gerechtigkeit und den Zustand des Planeten. Ziel einer guten Wirtschaftspolitik muss das Wohlergehen aller Menschen und der Erhalt der Natur sein. Zu einem guten Leben für alle gehört weit mehr als materielle Sicherheit, sondern auch Solidarität und gegenseitiger Respekt, die Möglichkeit zu befriedigender, sinnstiftender Arbeit und Zeitwohlstand.

Eine gerechte Welt ist möglich!

Wir können ein System schaffen, das Mensch und Natur dient; ein System, das die Umsetzung aller Menschenrechte gewährleistet und das auf den Prinzipien der Gemeinwohlorientierung, globaler Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeit und demokratischer Kontrolle aufbaut. Diese gewaltige Herausforderung erfordert den Einsatz aller gesellschaftlichen Kräfte und die ganze Leistungsfähigkeit der Wirtschaft.

  • Demokratisierung internationaler Entscheidungsprozesse
    Nachhaltige Wege aus der Finanz- und Wirtschaftskrise können nur gefunden werden, wenn auch Entwicklungsländer gleichberechtigt in internationale Entscheidungen einbezogen werden. Weder G8, noch G20 bieten dafür einen angemessenen und legitimen Rahmen. Die Vereinten Nationen müssen zum entscheidenden Forum für globale Entscheidungsprozesse gemacht werden. Weltbank, IWF und andere internationale Finanzinstitutionen müssen reformiert werden, damit arme Staaten gleiche Stimmrechte erhalten und nicht mehr übergangen werden können.
  • Verbindliche und transparente Regeln für das globale Finanzsystem
    Das globale Finanzsystem braucht verbindliche und transparente Regeln. Finanzprodukte müssen ebenso wie weltweite Finanzströme effektiv kontrolliert werden, damit die Gewinne auch der Allgemeinheit zugute kommen. Die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich muss verstärkt werden, um Steuerhinterziehung und -flucht den Boden zu entziehen. Steueroasen müssen geschlossen werden. Die kurzfristige Schwankung von Wechselkursen muss durch ein internationales Wechselkursregime eingedämmt werden Zur Einschränkung von Finanzspekulationen brauchen wir eine internationale Steuer auf Finanztransaktionen, deren Erlös in die Armutsbekämpfung und den ökologischen und klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fließen muss. Der Spekulation mit Grundnahrungsmitteln und Naturgütern muss ein Riegel vorgeschoben werden, denn sie zerstört die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen.
  • Ökologische und soziale Standards für die Wirtschaft
    Die Investitions- und Kreditvergabe staatlicher und privater Institute muss an ökologische, regionale und soziale Kriterien gebunden werden. Banken, Investoren und internationale Finanzinstitutionen müssen für von ihnen finanzierte Projekte haften, wenn diese Menschenrechte oder Sozial- und Umweltstandards verletzen.
  • Investitionen in den ökologischen Umbau und Abbau schädlicher Subventionen
    Durch einen „Klima-Check“ für alle Ausgaben der öffentlichen Hand und Konjunkturprogramme muss sichergestellt werden, dass öffentliche Mittel in Maßnahmen zum klimafreundlichen Umbau der Gesellschaft fließen. Wir brauchen massive Investitionen z.B. in energetische Gebäudesanierung, den Ausbau der Netze für die Anschlussfähigkeit erneuerbarer Energien sowie der Nah- und Fernwärmenetze, Kraft-Wärme-Kopplung, öffentliche Verkehrsmittel, bäuerliche, ökologisch orientierte Landwirtschaft und Effizienzprogramme für Haushalte und sparsame Elektrogeräte. Zugleich brauchen wir die Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen wie dem Dienstwagenprivileg, der Steuerbefreiung von Flugbenzin und der Rücklagen der Atomindustrie und keine Förderung neuer Kohlekraftwerke.
  • Faire Handelsregeln
    Gerade bilaterale Freihandelsabkommen, die auch die EU abschließt, gehen oft zu Lasten der lokalen Märkte in Entwicklungsländern. Handelsabkommen müssen aber zur Bekämpfung von Hunger und Armut und zum Schutz der Umwelt und der bäuerlichen Landwirtschaft beitragen. Freihandels- und Investitionsabkommen, die die Möglichkeiten von Staaten einschränken, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen und Investitionen zu kontrollieren, müssen geändert werden. Entwicklungsländer müssen eigene regionale Entwicklungsstrategien umsetzen und ihre jungen Industrien, ihre einheimische Landwirtschaft und die von Armut und Hunger Betroffenen gegen Billigimporte schützen können. Die bäuerliche Landwirtschaft sowohl in den Ländern des globalen Südens, als auch in der EU muss sich durch einen sinnvoll gestalteten Marktzugang vor Billigimporten, die soziale und ökologische Standards unterlaufen und lokale Märkte zerstören, schützen können. Umweltschutz und die Umsetzung von Menschenrechten dürfen durch Handels- oder Investitionsabkommen nicht behindert werden.
  • Nachhaltige Entwicklung finanzieren
    In der derzeit besonders schwierigen Phase müssen die reichen Gebernationen die Entwicklungsländer entschieden unterstützen, vor allem in Form von verlässlicher und vorhersehbarer Entwicklungshilfe. Die Geber müssen ihre Versprechen zur Erhöhung der Entwicklungshilfe in vollem Umfang einhalten. Für die Bundesregierung heißt dies, die Entwicklungshilfequote von derzeit 0,37% des Bruttonationaleinkommens auf 0,51% bis 2010 und auf 0,7% bis 2015 zu erhöhen. Zugleich müssen Entwicklungsgelder tatsächlich an den Bedürfnissen und Rechten der Ärmsten ausgerichtet werden: für ländliche Entwicklung, soziale Sicherheit, Gesundheit und Bildung. Die reichen Länder müssen alle Schulden von Entwicklungsländern streichen, die auf unverantwortliche Vergabepraktiken seitens der Geberländer zurückzuführen und daher illegitim sind. Neue Verschuldungsspiralen müssen verhindert werden.
  • Klimagerechtigkeit
    Die Industriestaaten müssen ihre historische Klimaschuld begleichen. Sie müssen Entwicklungsländern mindestens 110 Mrd. jährlich für Klimaschutz, Anpassungsmaßnahmen, und Maßnahmen für den Erhalt des Waldes, der Biodiversität und sauberen Wassers unter Berücksichtigung der Rechte Indigener Völker zur Verfügung stellen. Davon muss die EU entsprechend ihrer historischen Verantwortung 1/3 tragen. Forschungsbudgets für einen klimafreundlichen Entwicklungspfad müssen aufgestockt und Technologie- und Know-how-Transfer sowie gemeinsame Nord-Süd und Süd-Süd Forschungsprojekte massiv gefordert werden. Zugleich muss sichergestellt werden, dass Maßnahmen zum Klimaschutz ihrerseits nicht zu Umweltschäden oder Menschenrechtsverletzungen führen, wie dies etwa bei der Förderung von Agrartreibstoffen leider oft der Fall ist.
  • Die Krise sozial bewältigen
    Soziale Gerechtigkeit weltweit und der ökologische Umbau der Wirtschaft können nur gelingen, wenn auch die sozialen Unterschiede in den Industrieländern nicht zu groß werden. Die Schere zwischen Arm und Reich darf nicht weiter auseinander gehen.

Zur Aktionsseite: www.28maerz.de